Smalltown life

Welcome back,

entschuldigt die kleine Pause. Um den Ernst des Lebens direkt abzuarbeiten, ein paar erklärende Gedanken dazu. Vor einer großen Reise sind mir ständig neue Dinge eingefallen, die ich noch besorgen, bestellen oder abholen musste. Gerade die letzten Tage sind ziemlich stressig, und mit viel mehr von A nach B hetzen verbunden, als man glauben mag. Irgendwas vergisst man ja immer. Als kleiner Tipp am Rande, könnte ich die Reiseplanung und To-Do Liste neu beginnen, ich würde "von den Großeltern verabschieden" nicht noch einmal vergessen. Nur soviel dazu.

Die Zeit hier vergeht wie im Flug. Inzwischen sind wir fast schneefrei, und die Temperatur bewegt sich meist zwischen minus und plus 10°C, was sowohl aushaltbar als auch recht mild ist. Wenn die Sonne scheint, ist es sogar super schön. Der Boden, gerade im ziemlich großen Backyard von Annes Nachbarn (siehe Bild) ist inzwischen extrem matschig.


Das wäre mir ziemlich egal, ich habe aber für die Dauer seines Urlaubs die ehrenvolle Aufgabe, mit seinen Hunden spazieren zu gehen. Das ist der fast 90 jährige grumpy Opa. Der eine Hund ähnelt ihm vom bissigen Charakter her, ist steinalt, blind und taub. Der lebt aber, wie fast alle Hunde hier auf dem Land, halb draußen. Ich muss ihn nur zum Füttern kurz in's Haus lassen, und aufpassen, dass er mich nicht mit Futter verwechselt. Der zweite Hund ist das genaue Gegenteil, ein Welpe, der ohne Herrchen zu wenig Aufmerksamkeit kriegt (es sittet jemand das Haus, er ist also nicht die ganze Zeit alleine). Den nehme ich mit Sky jedenfalls zu kleineren Ausflügen mit, vereiste Hügel hinunter und durch den ganzen Matsch. Eine recht rutschige und schlammige Angelegenheit, aber den Wald direkt hinterm Haus zu haben, ist schon auch cool.

Kleiner Gedankensprung - soll in meiner Gegenwart öfter vorkommen, hab ich mir sagen lassen - ich weiß jetzt, was Telefonterror ist. Wirklich. In der Zeit, in der ich diese paar Zeilen hier jetzt geschrieben habe, hat bereits 3x das Telefon geklingelt. 2x davon war es eine von Annes Töchtern, die bis vor 2 Wochen noch hier zu Besuch war. Sie lebt alleine und relativ - an dieser Stelle meint relativ ca. 300km - weit westlich von uns. Anne möchte gerne, dass sie im Juni wieder hierher zieht. Wir haben in großer Runde hier ihren 60. Geburtstag gefeiert. Das ist etwas schwierig auszudrücken, weil sie echt eigenständig lebt und alles für sich alleine macht, aber in Deutschland wäre sie wohl (zumindest in der Schule) als Lernbehindert eingestuft. Und sobald Anne in's Spiel kommt, wird sie auch leicht weniger selbstständig, als sie das zuhause generell wohl ist.
Jedenfalls hat sie, seitdem sie vermutlich sehr einsam ist, das Telefonieren für sich entdeckt. Seither nutzt sie ihren Telefonvertrag mehr aus, als alle Menschen die ich kenne gesammelt. Kein Witz. Anne hat erzählt, manchmal erhält sie bis zu 30 Anrufe pro Tag. Die beinhalten dann relativ nebensächliche Informationen, wie beispielsweise, dass sie zu Abend gegessen hat, oder gerade auf dem Weg zum Einkaufen ist. Dazu sind sie auch meist sehr kurz, weil es - bei so zahlreichen Anrufen - eben irgendwann einfach nichts mehr zu sagen gibt. An dieser Stelle finde ich es sehr schade für sie, dass sie nicht schreiben kann. Klar, sie bringt die Menschen in ihrer Umgebung durch die eher unwichtigen Anrufe zur Weißglut, aber wie viele Menschen posten bitte ihr Essen auf Facebook, oder wie oft schreibt man ('man' as in jemand meiner Generation) eine WhatsApp-Nachricht mit dem Inhalt "ich hatte gerade xy zu essen". Ich tröste mich also, wenn ich zum wiederholten Male einen Anruf von ihr beantworte, mit dem Gedanken, dass sie im Grunde genau dasselbe tut, wie andere auch. Nur das Klingeln des Telefons ist eine entscheidende Nummer nerviger, wirklich. Außerdem ruft sie nicht nur Anne, sondern auch Annes beste Freundin sowie Annes andere Kinder an, und das sind ja immerhin noch 5 weitere. Aber genug gemeckert - ich erzähle euch mal, was wir sonst so machen.

Da lag noch Schnee :-) 

Wer oder was ist eigentlich neighbourlink? Teils ist es das ↓↑
















Ein Zusammenschluss verschiedener Kirchen, die gemeinsam Gutes für die Gemeinde tun. Beispielsweise wird jede Woche ein Lunch für Eltern mit Kindern angeboten, ein Abendessen mit Kochgruppe, sowie einmal im Monat die "Food Bank". Das ist so ziemlich, worauf alle warten. Die Vorbereitung dafür ist ziemlich zeitaufwendig. Es müssen viele Tüten gepackt werden - letzten Freitag habe ich mit einer anderen Helferin zu 2. 36 gepackt, und es war echt richtig anstrengend. Tüten packen bin ich zum Glück ja von den O&V Überraschungstüten gewöhnt :-) Die Tüten für die Food Bank sind aber riiiiiesig, und es kommen unheimlich viele Konserven etc. rein, sowie Reis, Zucker, Kaffee, haltbare Milch (pfui), Müsli, und ganz viel anderes Zeug. Dadurch werden die natürlich auch schwer, und wir hieven die dann in die leeren Regale, teilweise recht hoch. 
Anne und ich sind meist im Hintergrund tätig, wir putzen die Bude und decken die Tische. Gestern haben wir auch Mengen (aka palettenweise...) Dosen etc. von Annes Garage in verschiedene Trucks geladen, in die Stadt zu neighbourlink gekarrt, und mit der Hilfe von Annes Sohn dort eingeräumt. Gerade mit Lebensmitteln (viele sind abgelaufen) muss man echt den Überblick bewahren, was so im Lager ist, und was man wann am ehesten rausgeben oder auch mal entsorgen sollte. Das ist es also, was ich hauptsächlich so an Freiwilligenarbeit mache. Wir helfen auch im Secondhandshop, der ist nebenan, aber auch hierfür übernimmt Anne eher die organisierenden Tätigkeiten. Zusätzlich unterstütze ich Anne beim Putzen und gehe mit dem Nachbarshund spazieren, wofür ich ein wenig Geld bekomme.
Es macht Spaß, und diese community ist einfach der Wahnsinn. Da kommt zum Beispiel jeden Monat für die Foodbank ein Farmer, und bringt säckeweise Kartoffeln und anderes frisches Gemüse, das angeboten werden kann. So gut wie alles ist auf Spenden der Gemeinde sowie Supermärkte aufgebaut, und es wird echt gut angenommen. Man mag von Kirchen halten, was man will, hier, genau an dieser Stelle tun sie gemeinsam etwas, an dem man sich ein Beispiel nehmen kann. 


Das ist die Sicht von der Farm von Laris Gasteltern - wir haben sie letztens besucht. Anne als ehemalige Farmerin konnte einige Tipps geben, und über andere Ideen den Kopf schütteln. Ich bin gespannt wie es wird, im Mai kriegen sie 25 (!!!!) Hühner. Annes paar Hühnchen produzieren schon mehr Eier, als wir verwerten können (sie verteilt sie in der Familie), aber 25... Holy cow

Lucky und ich sind richtig dicke Friends ♥ manchmal hüpft er auf meinen Schoß, und nicht auf Annes...


Das war auf dem Weg von einer Geburtstagsparty zurück nach Hause. Sooooo schön war es :-) ach, da hätte ich fast das Highlight vergessen - ich darf Autofahren. Anne ist eine sehr gute Beifahrerin, und hält sich nur gelegentlich panisch am Sitz fest. Aber mal ehrlich, die Autos und Straßen sind ziemlich breit, die Parkplätze auch. Niemand parkt hier rückwärts ein (teilweise sind die Trucks auch so groß, oder die Scheiben so schmutzig, dass man vermutlich eh nichts sieht nach hinten raus), es ist paradiesisch. Und Automatik zu fahren ist wirklich kein Hexenwerk. Ich ernte immer ehrfurchtsvolle Blicke, wenn ich erwähne, dass zuhause fast niemand Automatik fährt. Dass die anderen 80 Millionen fahrzeugfahrenden Bundesbürger so Standardautos besser fahren können als ich, muss ja niemand wissen :-)
Jedenfalls ist so ein SUV ganz cool, und wenn die Straßen einigermaßen befahrbar sind, ist das auch kein großes Ding. Ich musste allerdings auch einen riesigen Hügel aus Eis und Schnee hochfahren, das war schon etwas merkwürdig.


Da hatten wir Abenteuertag :-) wir haben ziemlich viele Tannenzapfen, den Weihnachtsbaum und abgeschnittene Äste verbrannt, die BC Hydro (in etwa die Stadtwerke) von unserem Baum abgeschnitten hat, der offensichtlich zu nah an die oberirdische Stromleitung gewachsen ist. Die kamen einfach, ohne Vorwarnung, und haben am Baum rumgewerkelt. Das hätte in Deutschland direkt für einen Skandal gesorgt :-D

Anne: "it doesn't get any more Canadian than this" 


Am selben Tag haben wir noch einen Ausflug nach Fort St. James gemacht. Das da ↑ ist ein riesiger, zugefrorener See.

Es ist immer wieder ein Erlebnis, wenn man sich in's Auto setzt, und durch die Wälder fährt, um irgendwo in ein anderes Dorf zu kommen. Traumhaft. Ich mag diese Weite und Stille, ganz anders als in der Stadt.

Momentan haben wir hier ein richtiges Dorfabenteuer. Anne hat eine Straßenkatze adoptiert, die in der Garage schlafen sollte, und dann draußen Mäuse fangen. Da die Katze aber mit Menschen so gar nichts am Hut hatte, haben wir die Katzenklappe der Garage versperrt, damit sie erst einmal versteht, dass das eine sichere, warme Umgebung ist, mit Schlafplatz und Futter. Zunächst wurde dazu das Auto bei unter -15°C draußen geparkt :-D die Katze ist Meister im Verstecken, wir haben überall gesucht. Mal saß sie im Schrank ganz oben, mal unter den Paletten auf dem Boden. Jedenfalls hat Anne dann irgendwann entschieden, dass es doch netter ist, wenn das Auto auch in der warmen Garage parken kann. Wenn man es so erzählt, ist es irgendwie klar. Aber das war der Tag, an dem die Katze verschwand. Wir hatten relativ wilde Theorien, dass die Katze entwischt ist, als wir die Tür geöffnet haben, um nach ihr zu suchen.. viele Möglichkeiten gab es jedenfalls nicht. Nachdem wir dann doch der Meinung waren, die Katze müsse irgendwo da drinnen sein, haben wir auch mal im Motor des Autos nachgeschaut. Und da war sie. Relativ sicher ist sie mit uns zur Kirche gefahren, das arme menschenscheue Tierchen. Das ist jetzt ein paar Wochen her, wir haben seitdem die Katzenklappe geöffnet, und irgendjemand kommt regelmäßig zum essen vorbei. Dabei kann man jetzt natürlich nicht mehr sagen, wer oder was das ist. Vielleicht auch Lucky oder Daisy, die hier sowieso schon leben. Vor dem Einschlafen dachte ich letztens, so eine Kamera, die das Futter bewacht wäre echt cool. Und zack, der Tierschutzverein der die Katze gebracht hat, hat eine Kamera installiert. Leider sind die Bilder bisher noch nicht scharf, wir müssen sie vielleicht nochmal woanders anbringen. Echtes Dorfdrama, ich sag's euch, aber ganz spannend.
Katzenüberwachung - leider etwas unscharf, es könnte jede sein :-D


Ich erzähle euch, sobald was neues, spannendes passiert.
bis dahin, love,
P ♥ (und Lucky, der mich tatkräftig  beim Schreiben und auf dem Laptop liegen unterstützt hat)

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