manche Wünsche gehen ja doch früher in Erfüllung, als man
meinen mag. Heute war ein rundum perfekter Tag. Ich bin zum Geräusch von
Regentropfen aufgewacht – und ich liiiiiiebe Regengeräusche!! Zudem hilft uns
tatsächlich jeder Tropfen Wasser mit diesen Feuern momentan weiter. Die
Richtung stimmt also schon mal. Anne hat den ganzen Tag Apple Pie gebacken,
wodurch es wirklich himmlisch duftet. Ich werde gleich noch einen blueberry
coffee cake für die Kirche morgen zaubern. Das ist wirklich mein größtes Glück –
ich kann samstags etwas backen, und man wird auf jeden Fall alles los, weil
sonntags die Gemeinde davon profitiert.
Während ich das schreibe „hoovert“ unser Ire, der
witzigerweise Paul heißt, gerade den Keller. Seit 45 Minuten. Weder Anne noch
ich verstehen genau, warum. Ich hab einige Sekunden gebraucht, bis ich das Wort
überhaupt verstanden habe. „hoovering“ im kanadischen Englisch (und wohl auch
im amerikanischen, aber (ganz wichtig) das sprechen wir hier natürlich nicht) heißt
nämlich „vacuuming“. Paul redet sehr gerne und sehr viel. Leider ist sein Akzent
so stark, dass ich meistens rein gar nichts verstehe. Ich muss jedes Mal
mindestens einmal nachfragen, was zur Hölle er ausdrücken wollte. Die Chance,
es dann zu verstehen, ist aber auch nicht gerade groß. Und so bleibt die
Unterhaltung oft einseitig. Weil er auch Gesprächsthemen anschlägt, die ich für
relativ dämlich halte. Zum Beispiel, dass Pfirsiche ein Frauenobst sind,
während Äpfel ein Männerobst sind. Wir befinden uns also auf einem ziemlich hohen
Bullshitlevel, jedenfalls sehe ich das so. Ändert nichts daran, dass ich ihn
nicht ernst nehmen konnte, als er gestern sagte, dass er noch nie einen ganzen
Pfirsich gehabt hat. Die Pfirsiche hier sind meeega lecker! Sie werden im Okanagan
Valley angebaut, was im südlichen BC an der Grenze zu Amerika liegt. Dort sind
auch die Weinberge. Laris Tante wohnt dort, eine von Annes Töchtern sowie eine
Enkeltochter. Ich war schon zwei Mal dort und jedes Mal war die Aussicht einfach
traumhaft. Etwas wüstenmäßig aber auch bergig. Super schön 😊
Was auch immer der Ire da treibt, der Keller war noch NIE so sauber. Anne und
ich haben arge Probleme, mit dem Lachen aufzuhören. Er ist wie ein Teenager, nur
gleichzeitig 43 Jahre alt.
Zurück zum Tag. Ich war mit Darla, Annes Tochter mit
Behinderung, ein Eis essen. Sie ist eher nicht so der aktive Gesprächsteilnehmer.
Das führt aber dazu, dass ich ihr meine komplette Seelenlast (die gar nicht mal
so groß ist, bis auf Unibeschwerden) aufbürden kann, und sie nimmt alles
geduldig auf und kommentiert es mit „geeeeeze, that’s good, eh“ (= „Mensch, das
ist gut, ne“). Manchmal braucht man das 😊 Außerdem hat Darla etwas schönes an ihrem
Tag unternommen. Ich mag es, dass die Kanadier ernährungstechnisch Eis und
Sahne zu jeder Tages- und Nachtzeit vertilgen können. Zum Beispiel gibt es zum
Frühstück schon mal Pancakes oder Waffeln oder French Toast mit Obst, Sahne und
Sirup. Zwischendurch geht immer Kuchen (mit Eis) oder Cheesecake (mit Sahne). Zu
jedem Essen, zu dem ich hier je eingeladen wurde, gab es Nachtisch. Ihr seht,
es gibt nichts leichteres, als auf seine Ernährung zu achten. Anne: „good heavens, when he hoovers, he hoovers.”.
Er hat alles rumgerückt im Keller, um zu saugen. Ich glaube, er brauchte
etwas zu tun. Außer arbeiten und TV schauen macht er nämlich absolut gaaaar
nichts. Unnötig, den Keller zu saugen. Wir dachten, er muss sämtliche Möbel, Wände
und die Decke absaugen, bei der Zeit, die er dort verbringt. Er ist definitiv
ordentlicher als die Putzfrau :D witzigerweise stammt eine Menge von dem Staub
und Dreck, der sich da unten befunden hat (was nicht viel sein kann.. das Haus
ist natürlich überall ordentlich) vermutlich sowieso von mir, und nicht von
ihm. Aufgrund des Rauchs habe ich mir nämlich ein Alternativprogramm zum Laufen
gesucht und hüpfe da unten in sehr regelmäßigen Abständen rum, um ein Fitnessprogramm
zu absolvieren. Das macht gar nicht mal so viel Spaß, kann ich euch sagen. Aber
so gar nichts tun körperlich ist irgendwie auch nicht das Wahre.
Und zurück zum Tag :D Ich habe meine Uniberichte ein
bisschen weitergeschrieben. Ich finde, hier kann man die Gedanken so schön schweifen
lassen. Ob das nun an der Weite der Natur liegt, oder daran, dass mein
Alltagsstress hier nicht vorhanden ist, kann ich nicht mal genau sagen. Aber es
ist so friedlich und ruhig. Und ich finde viel einfacher die Muße, mich an den
Tisch zu setzen, und ein paar Zeilen zu schreiben. Ein bisschen wie als Kind,
wenn man so richtig tief versunken stundenlang auf dem Boden hocken und
irgendwas basteln oder spielen konnte. Am besten, wenn es draußen geregnet hat
und es eine gemütliche Stimmung war. Ein bisschen so ist Kanada für mich. Nur
immer.
Der Vater sagte beim skypen heute, „schreib doch mal wieder
was“. Und praktischerweise ist mir in letzter Zeit viel aufgefallen. Beispielsweise
beginnt die Woche für die Kanadier am Sonntag. Warum das der Fall ist, weiß ich
nicht. Aber auf allen Kalendern ist der Sonntag der erste Tag der Woche. Das
ist auf den ersten Blick als europäisch geprägter Mensch manchmal ganz schön
verwirrend. Ich glaube aber, ich finde das gut. Ich mag zuhause Sonntage
manchmal nicht so gerne. Man kann nicht einkaufen z.B., und das mache ich gerne
abends :D aber irgendwie ist es auch nicht so gemütlich wie am Samstag. Weil
man Montags eher nicht rumgammeln kann, vielleicht. Das Problem wird natürlich
auch nicht gelöst, wenn man den Wochenanfang einfach auf den Sonntag
verschiebt. Aber ich kann es mir vielleicht einreden :D weil der Sonntag dann
etwas sehr schönes an sich hat, er ist nämlich der Start in die Woche. Nicht,
dass ich meine Woche nicht mag oder so. Aber die Uni ist schon manchmal unnütz.
Darla und ich waren dann noch etwas für sie einkaufen. Da
ist mir bewusst geworden, dass ich doch eine waschechte Deutsche bin. Hier ist
ja alles überdimensional groß. Autos und Parkplätze beispielsweise. Auf dem Parkplatz
gibt es dann auch überdimensional große Abstellmöglichkeiten für die Einkaufswägen.
Und was macht der Kanadier? Lässt den Einkaufswagen einfach dort stehen, wo er
ihn hingeschoben hat. Neben seinem Auto zumeist. Manche geben ihm auch noch einen
kraftlosen Schub, um ihn in die Mitte des Parkplatzes zu befördern. Das führt
dazu, dass manchmal herrenlose Einkaufswägen einfach wie wild auf dem Parkplatz
stehen. In Retrospektive ist das ein sehr geringes Problem, da wie bereits
erwähnt selbst der Parkplatz zu überdimensional ist für alle Menschen, die gleichzeitig
hier einkaufen kommen (nicht allzu viele). Aber irgendwie fühlt es sich falsch
an. Und es sieht auch verdammt falsch aus. Und ich frage mich, wieso die
Kanadier nicht die drei Schritte gehen können, um den Einkaufswagen in eine
Reihe mit den anderen zu stellen, an den Platz, der dafür vorgesehen ist. Aber
ich denke, da spricht ein sehr deutscher Charakterzug aus mir :D also falls
mal jemand Beispiele für wirklich "typisch deutsch"e Gedankengänge braucht, ich hätte da jetzt
was, was mit aufgenommen werden sollte. Der ausgeprägte, intrinsische Wunsch, Dinge
dahin zu stellen, wo sie hingehören :D
Zum Schluss noch ein bisschen Gedankenwirrwarr. Letztens waren wir auf so einem Kirchentreffen,
und ich war zunächst etwas unbegeistert, dass ich mitgegangen bin. Manchmal
habe ich mich davor nämlich gedrückt, und letztes Jahr bei diesen Treffen zum „awakening
faith“ konnte ich auch wirklich nie was konstruktives beisteuern, weil mein
Glaube dafür einfach nicht ausgeprägt genug ist (glaube ich :D). Diesmal aber
haben wir einen neuen Father. 2010
war father Doug am Start. 2017 Father Rene, mit dem ich auch bis heute
noch auf Facebook befreundet bin. Der war Philipino und mega lieb. Und jetzt
ist es Father Pierre. Den hatte ich letztes Jahr schon mal kennengelernt und
war mir nicht sicher, wie ich ihn so finde. Es stellte sich heraus: überragend.
Jedenfalls habe ich mich mit ihm unterhalten. Und er hat gefragt, wieso wohl in
Europa die Jugend nicht in die Kirche geht, obwohl es hier ganz alltäglich ist.
Und was meine Freunde wohl fragen würden, wenn ich genau das anspreche. Naja,
jedenfalls habe ich gesagt, dass ich oft das Gefühl habe, der Pfarrer spricht
zur Generation 80+, die ja nun mal bei uns auch teilweise den größten
Prozentsatz in der Kirche ausmacht (tippe ich..). Und ehrlich gesagt checke ich
auch oft nicht, was der da vorne erzählt. Und Father Pierre hat etwas gesagt,
was mich echt zum Nachdenken bewegt hat. Nämlich, dass er mit meiner Generation
oftmals das Gefühl hat, wir würden dasitzen und warten, dass uns jemand etwas „gibt“.
Wissen, Informationen, Erkenntnisse. Und dass er diesen aktiven Part bringen
muss, ohne dass von uns viel kommt. Und wenn ich so darüber nachdenke, finde
ich mich generell schon teils in so einer Situation wieder. Er ist wirklich bemüht, Reden
zu halten, die in jedem Leben einen Platz finden, ob alt oder jung. Aber wenn
ich nicht verstehe, was erzählt wird, habe ich auch die Möglichkeit, aktiv nachzufragen.
Anstatt für mich zu beschließen: check ich nicht, brauch ich nicht. Mal
abgesehen von der Kirche, hab ich schon das Gefühl, dass das auch in meinem Alltag so ist. „Wir“
(da mag sich jeder mehr oder weniger eingeschlossen fühlen, ist jetzt mein
subjektives Gedankengut) sind irgendwie eine Generation, die erstmal vieles auf
sich zukommen lässt, ohne selbst aktiv zu werden, und vielleicht auch vor
einigem die Augen verschließt, ohne es zu hinterfragen. Gerade was Politik und
Demos angeht und im Kontrast zu der Generation (zumindest meiner) Eltern erlebe ich das. Mir wird ja auch teilweise nachgesagt, ich sei oberflächlich,
was solche Themen betrifft :D Ich denke, zu vielem nehme ich mir nicht heraus,
mir eine Meinung zu bilden, weil ich selbst der Meinung bin, nicht genug davon
zu verstehen. Mehr darüber zu lernen allerdings erfordert vielleicht das, was
Father Pierre meint – nicht sagen „check ich nicht, egal“, sondern sich mal reinknien.
Vielleicht ertappe ich mich auch nur manchmal selbst in diesem Dilemma, mehr
der passive Zuschauer zu sein, als aktiv Handelnder, und es hat gar nicht so
viel mit der Generation zu tun. Jedenfalls fand ich es interessant, wo die
Gedanken so hinführen, wenn man sie mit einem Pastor teilt. Von der Kirche mag
wirklich jeder halten, was er will, aber der Mann ist schon ziemlich klug.
Noch ein wenig zu unserem Alltag. Letzte Woche waren wir auf
einem sehr schönen Roadtrip gen Nord-Osten. Wunderschöne Landschaft, teilweise
sind das schon die Rocky Mountains 😊 Dem Rauch konnten wir leider nicht entfliehen. Wir sind nach Tumbler Ridge gefahren. Und wenn ich je dachte, Vanderhoof sei the middle of nowhere: nein. Diesen Platz nimmt definitiv Tumbler ein. Da ist wirklich NICHTS drumherum, und man müsste auch nicht durchfahren. Durch Vanderhoof fährt man eigentlich, wenn man vom Osten nach Prince Rupert an die Westküste fährt z.B., weswegen man uns kennen könnte. Tumbler Ridge kennt man nicht, und muss man auch nicht zwingend :D da würde ich definitiv nicht leben wollen. So sehr ich das Dorf auch liebe, irgendwo ist gut. Wir haben bei einer Enkeltochter von Anne gewohnt und in ihrem motorhome
geschlafen. Die Dinger sind SO RIESIG hier! Wie ganze kleine Wohnungen. Und
dann ziehen die Menschen hier mit ihren Trucks teilweise auch noch monstermäßig
große 5th wheels hinter sich her und wenden damit, und ich kann nicht mal
besonders gut rückwärts einparken :D Es gibt da übrigens eine krasse Unterscheidung zwischen motorhome,
trailer, 5th wheel und camper. Das Motorhome hat einen eigenen Motor und kann
fahren – logisch. 5th wheel, trailer und camper zieht man alle mit einem Truck hinter
sich her. Dabei liegt das 5th wheel hinten auf dem Truck auf und wird da irgendwie
befestigt. Der Trailer hängt einfach hinten am Truck. Und der Camper wird auch
irgendwie hinten am Truck befestigt. Um euch die Ausmaße mal kurz zu zeigen,
hier ein horse trailer mitten downtown Vanderhoof :D
Back to the roadtrip, wir haben in 3 Tagen unzählige KM
hinter uns gebracht, was ziemlich anstrengend war. Wir haben aber auch
wunderschöne Wasserfälle gesehen, was sich definitiv gelohnt hat. Auf einer kleinen Tour konnte man auch kleine Wanderungen machen, was wirklich mega schön war. Die habe ich allerdings alleine gemacht, da Darla nicht so gut zu Fuß ist, und Anne sie nicht allein warten lassen wollte. Jedenfalls ist mir dann kurz vor der "Wanderung" eingefallen, dass ich nicht so genau weiß, was man tut, wenn man auf einen Bären trifft. Und dass das möglicherweise ein kleines Problem darstellt. Anne sagte, ich solle still stehen bleiben, möglichst viel Krach machen, den Bären nicht aus den Augen lassen - aber nicht in die Augen schauen - und mich langsam entfernen. Sagen wir mal so - auf der Hälfte der ersten Wanderung habe ich beschlossen, dass es für mich genug Adrenalinkick ist, und bin umgekehrt. Anne hat mir daraufhin erzählt, dass viele Wandergruppen auch singen und Musik laufen lassen. Ich weiß nicht, was Bären sich dann denken. Dass die Mahlzeit vor dem Ableben gut gelaunt war vielleicht? Oder ob sie tatsächlich denken, da muss noch mehr kommen, wenn so viel Krach unterwegs ist. I don't know. Jedenfalls habe ich die nächste kleine Wanderung mit lauter Handymusik und singend zugebracht. Ich kann euch sagen, es war ein absolutes Fest. Für mich, und Bären, denen ich möglicherweise einen großen Schrecken eingejagt habe :D
hat der Mann von Annes Schwester mir aus dem Yukon mitgebracht :) |
Es ist schön hier, und ich möchte wirklich nirgendwo anders auf der Welt sein. Wobei so ein Strand schon auch okay wäre, aber die Seen hier sind auch schon traumhaft :)
PS. Der Ire hat uns Mischbier mitgebracht. Und Chips. Macht das hardcore hoovering jetzt wieder einigermaßen okay.
Love,
P ♥
♡
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