Back to the roots

Hello ihr Lieben,

auf Wunsch und Nachfrage ein kleiner Reisebericht und ein Update vom tiefsten Dorf (aka the middle of nowhere). Die Erfahrung hat gezeigt, dass die meisten Freunde und Verwandten doch eher dieselben Fragen haben, und da ich euch gerne ausführlich antworte, aber nicht die Zeit habe, jedem alles zu erzählen, hier meine gesammelten Erlebnisse, Bilder und Gedanken. Das heißt übrigens nicht, dass ich mich nicht über eure Nachrichten freue. Ich hab euch lieb!

Mittwoch früh ging es ENDLICH los, nachdem ich mich und alle Menschen in meiner näheren Umlaufbahn schon eine beachtliche Zeit über komplett verrückt gemacht hatte. Die Reise lief insgesamt in Ordnung, ich hatte mehrmals einige sportliche Sprints durch verschiedene Flughäfen (Frankfurt, Vancouver), aber alles hat im Endeffekt dann doch sehr gut funktioniert. Ich war aber auch ziemlich gut vorbereitet auf jede mögliche Schwierigkeit :D die 10h Flug von Frankfurt nach Vancouver sind doch auch schneller vergangen, als ich gedacht hätte. Ich habe ein bisschen gerätselt (danke an dieser Stelle nochmal an die O&V Girls ♥) und ein paar Filme geschaut. Angekommen in Prince George bin ich um 17.20 Ortszeit, das ist glaub ich 2 Uhr nachts in Deutschland.
Anne, Jeannie (Annes beste Freundin) und Jeans Mann Lenny haben mich eingesammelt. Anne macht immer noch Witze darüber, was ich auf die Frage "und, was denkst du so von der Umgebung?" in 2010 auf dem Weg vom Flughafen nach Hause geantwortet habe. "Well.... There's lots of trees here..". Naja, so ist es eben auch. Da kann man gar nicht so viel schönreden. Der Weg von PG nach Vanderhoof ist eine einzige Landstraße, und man sieht nichts anderes außer Bäumen.
Wir konnten alle anmerken, dass es überhaupt nicht merkwürdig ist, dass ich in diesem Auto sitze und mit nach Hause fahre. Es war nicht merkwürdig, es war als wäre ich gestern erst gefahren. Nach Aussagen praktisch aller Menschen die ich bisher wiedergetroffen habe, sehe ich auch zu 100% noch genauso aus wie vor 6 Jahren (Babyface sei Dank), und habe kein Gramm zugenommen. Da bin ich mir unsicher, aber lassen wir das mal so stehen :D
Jetzt gerade haben wir 9:14 Uhr in der Früh, wir hatten natürlich schon breakfast (Anne steht unmenschlich früh auf, irgendwann zwischen 5/6, ich habe etwas jetlag und schaffe es nicht länger als 20/21 Uhr die Augen aufzuhalten.. da bin ich um 7 immer sehr fit) und Anne hat einen gigantischen Turkey im Ofen, da morgen sage und schreibe 50 Familienmitglieder kommen. Einige Menschen hatten Geburtstag, die meisten sehen sich nicht so häufig, und ich bin da, es gibt also Grund zum Feiern :-)
Anne ist komplett perfekt vorbereitet, wie man sie so kennt. Ein bisschen was zu helfen im Haus gibt es für mich aber doch noch. Ansonsten kann ich immer die Katze Lucky oder denHund Sky streicheln, die sind wirklich sehr lieb. Und seit neustem wohnen auch Hühner im Anbau neben der Garage, die jeden Morgen Eier legen. Das ist ziemlich cool, die sehen recht glücklich aus. Sky beschützt sie vor dem Fuchs, obwohl sie auch nicht abgeneigt von einem Hühnchensnack wäre, denke ich. Da steckt Wolf mit drin, der Hund ist riiiiiesig.
Heute Abend kommen noch eine andere von Annes Töchtern, Sherry, (eine andere, Darla, wohnt im Moment auch hier) und ihr Bruder Bill mit dessen Frau Darlene. Es ist verwirrend mit dieser riesigen Familie, ich weiß. Vielleicht mache ich in den nächsten Tagen mal eine Art Stammbaum, damit ihr immer wisst, von wem ich rede ;-)
Eine der meist gestellten Fragen ist sicherlich, was ich hier eigentlich machen werde. Wenn der Besuch mal weg ist, und wieder etwas Ruhe einkehrt, werden wir uns in einer Suppenküche und einem Secondhandshop engagieren. Also, Anne engagiert sich, und nimmt mich netterweise mit. Das zählt für mich für die Uni als Auslandsaufenthalt, weil es kein Urlaub ist, sondern eben ehrenamtliches Engagement. Ich habe tatsächlich auch eine Arbeitserlaubnis, zwischendurch kann ich also ein bisschen Geld verdienen. Abgesehen davon habe ich auch ein paar Unisachen mitgebracht, die ich erledigen muss. Wie ich auf die Idee gekommen bin, es sei eine besonders gute Idee, 24h Englisch zu sprechen, und dann u.a. eine Hausarbeit auf Deutsch zu schreiben, kann ich euch auch nicht sagen. Das wird interessant. Und ansonsten kann ich nicht im entferntesten behaupten, dass Anne mit ihren sehr bald 79 Jahren eine langweilige Omi ist. Sie ist cooler und moderner als viele Menschen die ich kenne, und super aktiv. Außerdem kennt sie jeden und alles, ständig ruft jemand an, kommt zu Besuch oder wir treffen uns mit jemandem. In diesem Alter ein großes Haus zu haben, Hund, 2 Katzen (bald 3, wir kriegen noch eine für draußen zum Mäuse fangen:-), eine Menge Ehrenämter und einen großen Freundeskreis sowie eine große Familie muss man auch erstmal hinkriegen. Das können die Menschen aber hier ganz gut. Annes Nachbar Gordie, der ungefähr der grumpieste Mensch ist, dem ich je begegnet bin (entschuldigt diesen Sprachendschungel, ich bin immer sehr schnell drin und komme nicht mehr raus..), ist flotte 86 Jahre alt, und arbeitet noch jeden Tag draußen im Wald mit riesigen Maschinen. Der Teil mit der liebevollen Familie und dem super Freundeskreis ist bei ihm allerdings weniger stark ausgeprägt, er ist wie gesagt ziemlich brummelig.
Frequently asked question N° 2 wäre dann, ob ich friere und wie kalt es ist. Bisher ist es ziemlich mild gewesen, immer knapp um die 0°C mit strahlend blauem Himmel und Sonnenschein. Da kann man sich nicht beschweren :-) Gestern war ich nach recht langer Zeit mal wieder laufen (ich wollte ja nicht riskieren, dass sich mein kleiner Akt der Rebellion entzündet), was ein ziemliches Erlebnis war. Mit Sonnenschein, frisch gefallenem Schnee am Fluss entlang. Sehr idyllisch und sehr erholsam. Auch weniger gefährlich als in Duisi, die Autofahrer wechseln hier gerne mal auf die Gegenfahrbahn, um mir als Fußgänger auszuweichen. Das ist ziemlicher Luxus :-D
Heute ist es ein wenig kälter, -10°C, aber die Sonne scheint trotzdem. Für mich ist zum Glück noch ein bisschen Schnee gefallen. Ich hänge ein paar Bilder an, damit ihr es euch vorstellen könnt, und nicht noch mehr Gedankensprünge ertragen müsst. Man friert hier aber nicht, das ist sicher schwer zu verstehen. Im Haus ist die Heizung immer ziemlich hoch gedreht (da sind so Schlitze im Boden wo die warme Luft rauskommt), im Auto steht sie gerne mal auf kuscheligen 26°C (ist angenehm mit Winterjacke sag ich euch). Und -10°C draußen sind auszuhalten, selbst mit deutscher Winterkleidung. Ich denke, arg viel kälter wird es auch tagsüber nicht mehr werden. Schauen wir mal.
Zum Schluss aber noch einen kleinen Gedankensprung: ich bin kein big city girl, ich war's nie und ich werde es vermutlich nie sein. Dieses Dorf hier mitten im Busch in der tiefsten kanadischen Wildnis macht mich unheimlich glücklich. Natürlich irgendwie auch, weil der Unistress und alle Alltagssorgen weit weg sind. Es ist jetzt eher eine Mixtur aus Urlaub, und einfach hier mit Anne leben. Ich bin sehr dankbar, dass ich das nochmal erleben darf. Aber z.B. das Jährchen hier hat mich auch schon ziemlich froh gemacht. Wie auch immer, wir legen jetzt los mit den Partyvorbereitungen und einem flotten Hausputz  :-)
Wir hören, sprechen oder sehen uns bald.
♥ P

Aus dem Flieger

Der Wolfshund Sky

Trying to be "not a cat person"

Der verrückteste und süßeste Kater Lucky 

so schön, der Blick aus einem Fenster nach hinten raus Richtung Wald

Blick aus dem Wohnzimmerfenster Richtung Fluss (Nechako River)

hier seht ihr den vermutlich einzigen Menschen in Kanada, der sich über Schneefall und Schneeschippen freut :-)


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